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Tibets Wilder Osten


... und so schliefen sie im Stall: Pelung im Tangme Tal
Das erste Mal in den Tropen
Vom Pass gings erstmal runter. Leider war die Piste nicht viel besser als rauf, so dass es schon daemmerte als wir im Tal ankamen. Zelt Aufbauen im Dunkeln, wir hatten ja auch im Dunkeln schon abgebaut und der laengste Tag der Tour ging mit einem kuehlen Bier zu Ende. Am naechsten frueh gings beschwingt weiter. Schliesslich sollte es fuer die naechste Zeit weiter bergab gehen. Die Freude darueber ist allerdings sehr gedaemft. Zwar macht runter fahren schon Spass. Aber Alles was man hier bergab faehrt, muss man auch wieder irgendwann hinauf. Also hofften wir bald, dass es doch endlich aufhoeren moege - aber es ging immer weiter runter. Durch ein sich immer weiter zu einer tiefen Schlucht verengenden Tal. So tief, dass in dieser Gegend ein voellig anderes Klima herrscht. Wir hatten die ersten dicken Wolken und den ersten dichten urigen Wald in Tibet. Die Nacht verbrachten wir in Pelung. Einem kleinen Dorf mit enem kleinen Gasthaus und einem Restaurant. Leider schlief der Restaurantbesitzer sowohl am Abend als auch am Morgen. Es gab also mal wieder lecker Instantnudeln. Unser Nudelsuppenbedarf war mitlerweile von 3 Packungen fuer uns beide auf 3 Tueten pro Personen angestiegen.

Am tiefsten Punkt: Parlung Tsangpo (von links) und Rongtschu (von rechts) fließen zusammen um weiter südlich in den Yarlung Tsangpo (Brahmaputra) zu münden (von hier gehts 250km nur bergauf...)
Das schlimmste Stueck - geschafft.
Am Morgen setzten wir die Tallfahrt noch fuer die naechsten 10 Kilometer fort. Dann waren wir endlich am tiefsten Punkt der bisherigen Reise angelangt. 1700m. Hier fliesst der Rong Tschu Fluss in den Bhramaputra, der sich 20 Kilometer suedlich in der grossen Schleife um den Namtsche Bharwa legt und seine Fliessrichtung um 180 Grad aendert. Aus Westen kommend fliest er nun zurueck in Richtung Westen, dann nach Indien und wird dort zum heiligen Fluss. Leider ist das Gelaende so unwegsam, dass es keinen Weg zur Schleife gibt. es gibt nicht einmal einen Trail. Nur verschlungene Pfade, die nur eingeweihten Tibetern bekannt sind. Die Gegend um den Namtsche Barwa ist auch die Heimat einiger letzter SECRET LANDS. Heilige Taeler deren Zugang nur wenigen Moenchen bekannt war. Die Landschaft ist einmalig und die Strasse nur in dieser Zeit einigermassen passierbar. In der Regenzeit ist die Gefahr eineses Erdrutsches zu gross und meistens sind Teile der Strasse weggespuelt. Zu steil sind die Waende, die sich rechts und links der Strecke empor strecken. Und so ist dieser Teil der Strecke zwar atemberaubend, aber auch einer der gefaehrlichsten in ganz Tibet. Viele Autowracks in der Tiefe der Schlucht sind Zeugen zahlreicher Ungluecke der Vergangenheit. Und so fahren wir nicht ganz ohne Respekt und staunen nicht schlecht ueber immer wieder fantastische Ausblicke. Aufgrund der vielen Erdrutsche waren wir, was den Zustand der Piste angeht, vorgewarnt. Auch hatte uns Kato darauf hingewiesen, dass hier das schlimmste Stueck der ganzen Tour auf uns wartete. Aber, dass es so schlimm wird, hatten wir nicht erwartet. Immer wieder fehlte ein Stueck der Strasse, Baeche waren zu furten, es ging steil rauf und runter. Entweder war es sandig schluepfrig. Oder morastig feucht. Immerhin haben wir uns so richtig eingesaut und konnten so ziemlich beeindruckende Mud-Bilder schiessen :). Nach 30 Kilometern harter Arbeit war es aber dann geschafft und wir setzten die Fahrt auf gewohnt losem Schotter mit feiner Wellblech-Strukur fort.

Ein Dieb
Am Abend beschlossen wir, uns in einem unfertigen Motel einzuquartieren. Die Bauruine lag direkt gegenueber des Namtsche Barwa, dessen Gletscherzunge sich tief hinunter ins Tal, direkt auf uns zu geschoben hatte. Als abends zwischen den Wolken noch einwenig die Abendsonne auf den Gletscher schien, war das Casper David Friedrich Gemaelde perfect. Allerdings war unsere Stimmung ein wenig getreubt.
Ein Tibeter aus einem Nachbarhaus hatte sich einfach meine Uhr mit Hoehenmesser (hier eigentlich ganz gut zu gebrauchen :)) gemoppst. Fuer gewoehnlich habe ich sie am Lenkrad befestigt und beim Entladen des Fahhrades, muss er schnell mal zugegriffen haben. Zum Glueck hatte ich ihn kurz am Fahrrad gesehen, so dass ziemlich klar war, dass nur er es gewesen sein kann. (obwohl man sich ja nie 100% sicher sein kann...) Sofort gingen wir in sein Haus wo eigentlich auch sein Verhalten auf eine schlechte Tat schliessen liess. Die Tibeter sind oft wie kleine Kinder (was jetzt nicht boese gemeint sein soll) und so setzte auch er eine Unschuldsmine auf, die mich direkt zur Weissglut brachte. Und als ich ihm klar machte, komm Junge, gib die Uhr wieder her, sagte er gleich, no, no watch. Aha. Er wusste also gleich worum es geht. Na dann. Lassen wir ihn 25 gewesen sein. Mit im Raum stand seine junge Frau mit einem kleinen Baby auf dem Arm. Durch sein Verhalten war klar, dass er die Uhr hatte, aber wie sollte ich ihn zur Herausgabe bewegen? Ich wurde erst etwas laut - schliesslich soll man ja sein Gesicht nicht verlieren. Dann wurde ich noch lauter. Und schliesslich verlor ich jede Fassung. Mit grossen Augen starrte er mich an. Sein Frau fing an zu weinen. Das Baby schrie eh schon eine ganze Weile. Und irgendwie taten sie mir ja leid. Da kommt so'n Typ mit dem Fahrrad. Und mit so einer Uhr, koennte man vielleicht ziemlich viel Geld umsetzen. Die Versuchung ist anscheinend so gross gewesen, mit einem Handgriff mal ein wenig Glanz in das triste Leben zu bringen. Aber Tschuldigung. Ich will meine Uhr wieder haben. Doch nichts ruehrte sich. Dann entdeckte ich einen Fernseher auf einer Holzbank. Neben einem Ofen, ein paar Schueesseln und Kissen zum Schlafen das einzige Moebelstueck in diesem Huettchen und wahrscheinlich der ganze Stolz der jungen Familie. Ich nahm eine von den Schuesselchen und zielte nun auf den Flimmerkasten. Ich hoffte, dass sich nun endlich was tat, denn ich wollte den Fernseher ja wirklich nicht kaputt machen. Oh Mann. Jetzt fing die Frau an, ihren immer noch wie versteinert da stehenden Mann anzuflehen. Ich meine gehoert zu haben: Los, bitte, gib ihm doch endlich diese doofe Uhr wieder. Ich kreiste noch ein wenig die Arme um Schwung mit der Schuessel zu holen und zielte immer wieder auf den Fernseher. Lies die Schuessel aber nicht los, sondern schrie voellig hysterisch nun die Frau an, auf dass sie nun ihren Mann weiter anschreien moege. Und tatsaechlich. Ganz ploetzlich ging er nach hinten, bueckte sich unter eine Bank und kramte die Uhr raus. Ich war so baff, dass ich mich auch noch bedankte, meinen Hut auf dem Ofen liegen lies und zu Matthias rante, der schon auf dem Weg ins Dorf war um Verstaerkung zu holen.
Als ich 10 Minuten spaeter wieder die Huette betrat um meinen Hut zu holen, standen alle drei noch genauso angewurzelt da, wie bei meinem Verlassen der Huette. Nur jetzt heulten Sie alle drei. Uns beiden taten sie unendlich leid. Aber geht schliesslich nicht. Trotzdem praegte dieser Vorfall natuerlich unsere Stimmung am Abend.

BUM BUM BUM
Am naechsten Tag gruessten die ersten Plastikbehausungen und wir freuten uns schon auf die vielen Ni Haos der Arbeiter-Ameisen. Diesmal kamen sie aufgeregt in einer grossen Schar auf uns zu gelaufen und meinte nur: BUM BUM BUM. Aha. Hier wird also was in die Luft gejagt. HMM. Zu dumm. Uns war klar, wenn wir jetzt warten, dann braucht es vielleicht Tage, oder eine Woche, bis die Jungs mit ihren zarten Haenden den Berg wieder von der Strasse befreit haben. Die Zeit hatten wir nicht. Auf die Frage wann denn nun gesprengt wuerde, gab man uns keine so recht befriedigende Antwort. Auf jeden Fall hielten sie alle einen Finger hoch. Eins. Aha. Eine Stunde. Oder Minute. Oder was? Einer deutete mit seiner Zigarette das Anzuenden einer Zuendschnur. Neh. Mit Zuendschnueren. So was gibts doch nur bei der Olsenbande. Matthias meinte, dass die bestimmt warten mit sprengen wenn wir einfach fahren wuerden. Dann sagte er noch, komm, der Herr ist unser Hirte. Und wo er Recht hat hat er Recht. Und wir traten in die Pedalen. Nicht ohne den Herzschlag direkt im Rachenraum zu spueren. Die Chinesen versuchten uns noch mit aller Kraft festzuhalten, doch wir konnten uns schliesslich losreissen. Ueber die Stolperstrecke kamen wir allerdings nur im Schrittempo voran und ich muss zugeben, ich hatte eigentlich keine Strategie fuer ein eventuelles BUM BUM BUM. Runter in die Schlucht springen wenns soweit war? Oder lieber dicht an die Wand pressen? Beides die einzigen Moeglichkeiten. Beide Moeglichkeiten nicht grade tolle Aussichten. Ich dachte noch daran den Helm aufzusetzen - albern. Hab ich gelassen und lieber weiter gestrampelt. Dann kamen uns drei Chinesen aufgeregt entgegengesprungen. Ist jetzt alles vorbei, dachte ich? Einer von ihnen begann an einem von der Wand herabhaengenden Seil hinaufzuhangeln. Ich blickte nach oben und sah tatsaechlich Qualm aufsteigen.
Weiter. Weiter. Weiter. Eingeklemmt zwischen Steilwand und Schlucht hasteten wir ueber das Geröll, immer mit der Hoffnung endlich hier raus zu kommen. Vor dem geistigen Auge brannte eine Zündschnur. Immer weiter näherte sich dort die Flamme einer dicken DynamitrolleÉ Wie im guten Film eben. Scheiße. Was, wennÉ?
Und dann, endlich: Hinter der nächsten Biegung tauchten die ersten Plastikbehausungen auf. Hundert Meter weiter hockten dann auch die ersten Arbeiter auf der Strasse. Wir hatten es geschafft! Puh! Die ganze Aufregung also doch umsonst? Unsere Spannung loeste sich rasch. Ja, Ja. Bum Bum. Wir lachten ueber die ängstlichen und erstaunten Blicke der Strassenarbeiter und rollten weiter. Doch unser Lachen war noch nicht verstummt, da liess eine gewaltige Detonation den Berg hinter uns zerbersten. Die Explosion war so laut, dass es in den Ohren schmerzte. Ein Ruck ging durch den ganzen Körper. Wir sprangen erschrocken von den Rädern und blickten zurück. Dann noch eine Detonation. Und noch eine. Staub stieg aus der Schlucht. Das war knapp! Eine halbe Minute früher, undÉ
Ob wir Glück hatten, oder die Chinesen mit der Sprengung auf uns gewartet hatten, werden wir nie erfahren. Ohne ein Wort und mit weichen Knien setzten wir die Tour in Richtung Rawok fort.

Höher als gedacht: Biwak kurz unter der Paßhöhe am Anju La
250 km bergauf
Seit dem Rongtschu Tal hatten wir nun schon 100km zurückgelegt. Stetig bergauf. Allerdings lagen noch150 Bergaufkilometer bis zum Anju La vor uns der längste Anstieg des Universum. 250km bergauf. Puh. Und immer so mittelstarke Steigung. Das zehrt. Dann lieber kurz und knackig. Darin waren wir uns mitlerweile einig.
Wir kamen nach Pomi, eine weitere klein Provinzhauptstadt. Es war gegen 17 Uhr als wir geschlossen und mit viel Schwung in die Stadt rollten. Wir wussten zwar von Katos Aufzeichnungen, dass es hier keine Checkpoints gab, aber man weiss ja nie... Ein PSB gab es in jeder Provinzhauptstadt also auch hier. Dennoch mussten wir uns nach unserem Aufbruch aus Lhasa mal wieder zu Haus melden. Also kurz bei China Telecom anhalten. Einer rein, der andere passt auf die Raeder auf. Kurzes Telefonat ãHallo, uns gehtÕs gut. Sind in Pomi. Können uns hier nicht lange aufhalten. Bis baldÒ. Wahrscheinlich hab ich meine Lieben daheim damit nur noch mehr verwirrt. Ich muss weg! Obwohl wir nur 5 Minuten für unsere Durchsage brauchten, hatten sich 30-40 Menschen um uns versammelt. So ein Menschenauflauf viel auf und passte uns gar nicht. Jetzt bloss keine Polizei. Das Herz rutschte mal wieder in die Hose. Schließlich lief am heutigen Tag, es war bereits der 5.November, mein Visum aus. Jetzt war ich Alien und für die Kollegen vom PSB ein gefundenes Fressen. Also nix wie raus hier. Noch schnell eingekauft. Und ab durch die Mitte. Am Ortsausgang das Polizeigebäude. Oh Mann. Nach 5 km verschnaufen am Parlung Fluss. Das Bierchen haben wir uns echt verdient!
Von Pomi gingsÕs weiter Richtung Rawok und dem Rawok See. Immer weiter bergauf. Die Strasse führte uns durch das tief eingeschnittene Tal des Parlung Flusses. Obwohl die Sonne den ganzen Tag schien, fuhren wir permanent im Schatten der Berge. Es war hundskalt. Wir merkten es wird langsam Winter und die Hoffnung, dass es im Osten Tibets wärmer würde, hatten wir längst aufgegeben. Auch machte uns die Tatsache sorgen, dass wir auf der Landkarte irgendwie nicht voran kamen. Die Kilometerangaben aus Reiseführer und sämtlichen Karten hatten nicht mehr viel mit der Realität zu tun. Die in Deutschland teuer erstandenen Landkarten machten eher den Eindruck von Freihandskizzen mit groben Kilometer-Schätzungen. Leider immer viel zu wenig. So geriet unser Zeitplan mächtig aus den Fugen. Jeder Tag mehr ohne gültiges Visum könnte für mich 100 Dollar Strafe mehr bedeuten. Und der Winter stand vor der Tür. Das Thermometer sank nun nachts immer weit unter den Gefrierpunkt.
Nach einer tiefgekühlten Nacht in einem kleinen Kiefernwäldchen, einem lecker Rüherei und zwei Platten bei Matthias erreichten wir Sumzom. Ein schäbiges Nest. Kommunistische Billigbehausungen fürs Volk. Eine verfallene Schule. Eine runtergekommene Kaserne und ein olles Denkmal Überall Dreck und alle männlichen Einwohner schon am Mittag total besoffen. Sie torkelten durch die Gegend oder hockten um große Töpfe und schaufelten sich was Essbares rein. In einem kleinen Laden gabs Cola und Kekse bei einer bedauernswerten Verkäuferin. Sie hatte ein dickes Veilchen im Gesicht. Und ich wurde den Eindruck nicht los, als dass sie sich irgenwie für die besoffenen Männer schämen würde. Ein Kind wurde von seinem besoffenen Vater rumgeschuppst, sogar vor unseren Augen geschlagen. Die Leute taten mir leid. Es ist wahrscheinlich die größte Errungenschaft der chinesischen Kulturrevolution: Ein halber Liter Schnaps ist mit 3 Yuan (30Pfennig) billiger als ein Schokoriegel (5 Yuan). Ein bedrückendes Gefühl zu sehen, wie die Chinesen neben den Bauten aus Stein und Lehm auch die Tibeter selbst zerstören. Ihr Stolz ist gebrochen. Das faszinierende Lachen und der Glanz in den großen Augen ist verschwunden. Wir schlossen die Weltmacht China immer mehr in unser Herz.
Am nächsten Tag erreichten wir endlich Rawok. Ein ähnlich trostloser Ort. Die Landschaft war allerdings traumhaft. Der Rawok See liegt wunderschön eingebettet zwischen Alpinen Bergen. Und in der Ferne grüßte schon der Pass Anju La. Wir waren zwar schon auf 3800m, mussten aber noch über 800m. Eigentlich noch zu schaffen und so nahmen wir den Anstieg am Nachmittag noch in Angriff. Kamen aber auf schlechter Strasse nur sehr langsam vorwärts. Als der Höhenmesser gegen 17 Uhr immer noch bei 4300 Metern dahindümpelte beschlossen wir das Lager aufzuschlagen. Der Pass war nicht mehr zu schaffen. Als sich dann die Sonne verkroch wurde es schlagartig eisg kalt. Gegen neun gings wie immer früh in die Betten. Vielleicht war es ja gut, dass wir nicht mehr wussten wie kalte es nachts war die LCD Anzeige meiner kleinen Uhr-Wetterstation wollte bei der Kälte einfach nicht mehr. Nach langen Nächten hatten wir uns mittlerweile daran gewöhnt auch am Morgen ein wärmendes Feuer zu entzünden. Und zu warten, bis so um 10 die Sonne über die Gipfel lugt. Als Frühstück kamen nun auch nur noch heisse Instantnudeln in die Tasse. Hätte mir nie träumen lassen, dass man sich frühs im kuscheligen Schlafsack schon auf die Instantnudeln freuen kann. Unsere Aufbruchzeit hatte ssich so zwischen 11 und 12 Uhr eingependelt.
Völlig unerwartet erreichten wir schon nach einer halben stunde die Passhöhe. Hmm. Wieder einmal hat uns der Höhenmesser ausgetrickst. 300Meter zu wenig. Wir hätten also locker noch gestern über den Pass rutschen können. Kein Wunder, dass es so kalt war. Die Freude ist allerdings riesig. 250km Anstieg liegen schliesslich hinter uns. Oh Mann. Es gibt nichts schöneres als sich oben umzudrehen und zurück nach unten zu blicken. Jepp. Ein gutes Gefühl. Desterwegen mag ich rauf fahren lieber als runter.

Mani Steine, Ziegenhörner, Gebetsfahnen und verwesende Ziegen-Kadaver: Das Dola Monastery hinter Pasho
Irgendwie ist hier Spirit
Vom Pass ging es auf schlechter Piste und durch unendlich viele road constructions hinab Richhtung Pasho. Die Landschaft wechselte die Farbe vom Hochland-Khaki in dunkles rot. Häuser waren aus rotem Lehm gebaut. Felder waren rot. Und die Berge natürlich auch. Schick. Die schlechte Strasse schüttelte uns allerdings durch und durch. Ein Königreich für Asphalt. Kurz vor Pasho kam dann das kleine Wunder. Im Glanz der untergehenden Sonne, war in einiger Entfernung eine Kante auszumachen. Kaum zu glauben. Ab dort ging es glatt und asphaltig weiter. Hurra. Wir knieten päpstlich nieder und küssten innig den ersehnten Untergrund. Wir hatten schon vergessen, wie entspannt radeln sein kann. Gut gelaunt ging es weiter Richtung Provinzhauptstadt Pasho.
Leider war es schon spät und uns war klar, dass wir uns beeilen mussten um noch aus Pasho wieder heraus zu kommen. Übernachten im Hotel kam nicht in Frage. Ich war Alien. Und jeder Hotelaufenthalt würde einen netten Besuch des PSB nach sich ziehen.
Nach einer Panne an Matthias Hinterrad erreichten wir Pasho in hereinbrechender Dunkelheit. Es war nach 8 Uhr. Shoppen in gebotener Eile der nötigen Basics: Nudeln, Kekse, Eier. Leider hatte der angekündigte Markt schon dicht gemacht und aus ersehntem frischem Gemüse oder Obst wurde wieder nix. Hmm. Langsam hatten wir leichte Entzugserscheinungen und schleichenden Skorbut. Jetzt fehlte nur noch Wasser. Die Versuche, in den zahlreichen chinesischen Cafes und Garküchen Wasser zu bekommen schlugen allerdings fehl. Die Chinesen, die in den Städten, in für sie erträglicher Höhe, meist unfreiwillig niedergelassen wurden sind entweder unfreundlich oder haben Angst. Wer weiss. Dennoch waren wir masslos enttäuscht und super sauer. Ein langer Radtag tut dann sein übriges, um so richtig mal aus sich raus zu gehen. Gereizt! Die Armen konnten sich ne Menge anhören. Gebracht hats zwar nix. Aber wir haben uns besser gefühlt. Klar, der kleine Koch war zwar für die schlechte Strasse nicht unbedingt verantwortlich. Aber er hats ja auch nicht verstanden. Man, denen haben wirs aber gegeben...
Nur Wasser hatten wir immer noch nicht. Wir beschlossen unsere Nerven zu schonen, und die Stadt ohne Wasser zu verlassen und später irgendwo was aufzutreiben. Leider war es mittlerweile stockdunkel. Der rauschende Fluss an dem sich die Strasse entlang schlengelte lag ca. 50m steil unter uns. An runterklettern in dieser Dunkelheit war nicht zu denken. Zwar schützte uns die Nacht vor neugierigen Blicken als wir die Polizeistation passierten, erschwerte aber zugleich die Suche nach einem Zeltplatz ungemein. Von Katos Aufzeichnungen wussten wir zudem, dass wir uns nun in einer engen Schlucht befanden, was sich auch bis zum Erreichen des Salween-Flusses nicht ändern würde. Und so wurden wir schon leicht nervös. Kein Wasser, kein Lagerplatz, dunkel. Was machen?
Eine kleine Seitenstrasse führte den Berg hinauf. Als wir die Räder dort hoch wuchteten erkannten wir die Umrisse eines Klosters. Alles war irgendwie gespenstisch. Dennoch beschlossen wir um Asyl zu beten. Hier gabs bestimmt eine Unterkunft und Wasser inklusive. Allerdings war es schwierig im dunkeln einen Weg zum Eingang zu finden. Wir schlichen um die Mauer herum, an Gebetsmühlen vorbei und schliesslich durch einen Zaun ins Innere des Klosters. Wir klopften gegen das riesiege Tor. Und sofort schlug der Wachhund Alarm. Eigentlich gingen wir davon aus, dass man uns sofort mit offenen Armen in Empfang nehmen würde - war nicht ganz so einfach. Nach mehrmaligem Klopfen öffnete sich erstmal ein Fenster. Im schwachen Kerzenschein konnten wir einen Mönch ausmachen. Natürlich sprach hier keiner Englisch. Also mussten wir unser bisschen Tibetisch und Chinesisch zusammenraufen um dem Mönch klar zu machen, dass wir gedachten hier zu nächtigen. Das konnte ja nix werden. Unsere Sprachkenntnisse beschränkten sich ja im Wesentlichen auf ãHalloÒ, ãBitte BitteÒ und ãDankeÒ. Scheinbar schüchterten wir den Armen mehr ein, als dass wir ihm klar machen konnten, was wir wollten. So winkte er lässig mit der Hand und deutete uns zu verschwinden. Wir waren leicht enttäuscht, gaben aber nicht so schnell auf. Irgendwie machte das Ganze auch a wenig Spass. Bisher hatten wir mit der Taschenlampe aufs Fenster gezeigt. Wir begriffen, dass er uns so ja gar nicht sehen konnte. Also änderten wir die Strategie. Erneutes Klopfen. Nach einer Weile ging wieder das Fenster auf. Schliesslich war die olle Töle schon heiser. Jetzt strahlte mich Matthias mit der Taschenlampe an und ich schauspielerte "schlafen und schnarchen". Das muss ihnen gefallen haben. Nach einer guten halben Stunde öffnete sich knarrend das Tor. Heraus kam ein kleiner Mönch, augenscheinlich mit starker körperlicher Behinderung, gefolgt von zwei weitere Brüdern. Sie beäugten uns zunächst kritisch, begriffen aber recht schnell unser Ansinnen. Wir mussten ja mittlerweile auch in einem bedauerlichen Zustand sein. Schnell wich ihr skeptischer Blick dem beruhigenden strahlenden Lächeln. Gott sei Dank. Wir begrüßten uns gegenseitig aufs herzlichste und probten mit viel Spass für die Zukunft noch die eine oder andere tibetische Vokabel. Wir wollten schliesslich so nett sein wwie möglich um in einem schönen Bettchen sanft gemütlich im Gästezimmer des Klosters zu nächtigen. Allerdings ging man mit uns in Richtung eines kleinen Stalls am Rande der Klostermauer. Stolz zeigt man uns eine kleine Kammer, die wohl früher als Stall, dann als Lager und zuletzt als Verkaufsraum gedient haben musste. Essensreste und zerrupfte Tsampa-Verpackungen waren der Himmel für allerlei Nagergetier. Wir freuten uns natürlich tierisch über die noble Geste und beschlossen vor dem Stall unser Zelt aufzuschlagen. Mir gings drinnen zu wild zur Sache. Angeblich hatte Matthias zwar keine Probleme mit Ratten. Nur gab er schlussendlich nach. Die Mönche wunderten sich zwar über unser eigenes Häuschen und leuchteten mit der Taschenlampe immer wieder in den Raum. Naja Jungs. So ist das nu mal. My home is my castle usw. Irgendwann haben sies dann wohl begriffen und wollten sogar beim Aufbau mit zupacken. Zum Schluss brachte uns der kleine noch ersehntes Wasser und nach einem kleinen Gute Nacht- Feuerchen vielen wir seelig in einen kurzen Schlaf. Nachts weckten uns nämlich die nagenden Freunde aus dem Raum nebenan und feierten Kirmes auf dem Innenzelt. Na dann ist ja alles in Ordnung. Solang Mäuschen und Ratten nicht zu uns rein kamen, wars egal. So schliefen wir in geselliger Umgebung weiter.

Audienz beim Lama
Am folgenden Samstag Morgen wurden wir von wildem Hahnengeschrei geweckt. Unzählige Hähne bevölkerten das Klostergelände. Auch etliche Pilger kamen und drehten auf innerer und äusserer Kora ihre Runden und brachten die knarrenden Mühlen in Bewegung. Die Tibeter waren fröhlich bei der Sache, machten ihren Buttertee auf kleinen Feuern warm und die jungen Damen beäugten uns kichernd durch das Holzgatter. Es entwickelten sich zu einem kleinen Spiel, sie mit der Kamera aufs Bild zu kriegen. Sobald wir die Kamera zückten rannten sie kichernd weg um gleich wieder hinter einer Mauer hervor zu luken. Dann standen wir natürlich mit der Kamera im Anschlag auf der anderen Seite. Großer Geschrei. Ansonsten bot das Kloster phantastische Motive. Es war, als ob noch kein Tourist das Klostergelände betreten hatte. Alles war ziemlich runtergekommen.Überall hingen verwesende Ziegen als Opfer um die Klostermauer. Hörner und Schädel unzähliger Schafe waren zu grossen Haufen aufgetürmt. In die Knochen selbst waren kunstvoll Mantras eingraviert. Dazwischen die vielen tief im Gebet versunkenen Pilger, das monotone "om man padme hum", das knarren der Gebetsmühlen und die schreienden Hähne. "Irgendwie ist hier Spirit" stellte Matthias treffend fest. Und so blieben wir noch eine ganze Weile, nur um mehr von dieser geheimnisvollen Stimmung aufzusaugen. Gegen Mittag verabschiedeten wir uns dann vom Lama, bedankten uns herzlich und machten zusammen mit ihm noch ein paar Bilder. Zeigten ihm zur Freude Fotos von seiner Heiligkeit dem Dalei Lama und verliessen das Kloster mit der Gewissheit, mal wieder richtig viel Gutes erlebt zu haben. Konnte man ja am vorigen Abend noch nicht so ahnen. Irgendwie gab uns das Alles schon zu denken. Glück? Schicksal? Göttliche Fügung? Wir beschlossen, dass wir zwei einfach zu nett waren, um Schlechtes zu erleben.
Matthias der Lutheraner und ich der Katholik waren schon ein seltsames Paar. Matthias glaubte ja von Anfang fest an unsere gemeinsame Bestimmung. Die spontane Sympathie und das Gefühl einander schon ewig zu kennen, die gleiche Herkunft, die gleiche Zimmernummer in den unterschiedlichen Hotels in Lhasa. All das waren für Ihn deutliche Zeichen. Als ich eines Morgens, inspiriert von Matthias tiefem Glauben, das erste mal in meiner kleinen Reisebibel blätterte (danke Mama ;-)) und wahllos eine Seite aufschlug fragte ich Matthias, was er denn so bete, wenn er morgens in sich geht. Er sagte "na ja, eigentlich immer Psalm 23" Da ich nicht so bibelfest bin wie er, wusste ich nicht gleich was er meinte. Ich blickte in meine Bibel und hatte just die Seite mit dem Psalm 23 aufgeschlagen. Verrückt



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