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Ein fast vergessenes System


Passantenam Kyutschu Fluß: Matthias macht Spässekens mit zwei ganz süßen Kids
Nachdem Matthias nun endlich seine Fahrrad-Lampe (oh man :)) repariert und ich ihm das erste mal beim absolut exakten Beladen seines Reiserades bestaunt hatte ging es in Lhasa gegen 13 Uhr wieder auf die Piste. Beide waren wir froh wieder im Sattel zu sitzen. Allerdings merkte ich den einen oder anderen Yakburger im Bauch herumtoben und auch die vielen Biers der fetten Lhasa-Tage bescherten mir ziemlich muede Beine. Dank einer gehoerigen Portion Rueckenwind, guter asphaltierter Strasse und herrlichem Sonnenschein ging es jedoch mit Schwung voran. Durch ein schoenes Tal am Kyutschu-Fluss entlang immer weiter in Richtung Osten. Die erste Nacht die wir endlich wieder im Zelt verbrachten war schon ein kleiner Vorgeschmack auf das was kommen wuerde. Eis am Zelt, fuer mich ja nicht so neu, war fuer Matthias gleich ein Foto wert. Allerdings hatte er schon jetzt ziemlich in seinem kleinen Minisarg gefroren.
Das liess uns dazu uebergehen, uns die naechsten Naechte gemeinsam in mein, wenn auch schwereres, aber dafuer wintertaugliches Zeltlein zu kuscheln. Auch die naechsten Tage rollte es auf Asphalt ahenlich gut weiter, wenn auch der Wind leider drehte und sich am Horizont der erste Pass aufzutuermen begann. Die Nacht vor dem Manxung-la (auch Mi La)mit 4850m verbrachten wir in einem kleinem tibetischem Gasthaus und liessen uns zum ersten mal den original Butertee schmecken. (ranzige Yakbutter mit Wasser und Salz zerstampft). So richtig schmecken wollte er aber noch nicht. der Opi der Familie bot uns auch etwas Schnupftabak (so dachten wir) an und so zogen wir eine kraeftige Nase aus einem Yakhoernchen. Oh Man. tat das weh. Mir traenten eine halbe Stunde lang die Augen - zur Freude der ganzen Familie.



Schöne Landschaft im Nyungtschu Tal: Kurz vor Bayi
This Town is closed
Nach dem Pass trafen wir auf zwei Radler aus Richtung Yunnan. Die Freude war natuerlich gross und es wurden gleich wichtige Informationen ausgetauscht. Die Geruechte, man solle die Provinzstaedte nur bei Nacht durchqueren, hatten wir bisher immer abgetan und meinten, ehrlich wehrt am laengsten, was soll uns schon pasieren? Kato aus Mexico (auch auf Welttour) empfahl uns aber kein Risiko einzugehen und einige Staedte auf jeden Fall bei Nacht zu passieren. Hmm, mal abwarten. Er hatte es jedenfalls getan. Er gab uns noch ein paar nuetzliche Blaetter mit Kilometerangaben, Hoehenmetern und anderen wichtigen Vermerken, die sich im Nachhinein als essentiell wichtig herausstellten und dann trennten sich wieder unsere Wege. Nun ging es nach KongPo Gyamda. Die erste Provinzhauptstadt nach Lhasa. Ich war immer noch der Meinung, uns Radtouries kann eigentlich nichtspassieren und so suchte ich sogar die oertlichen Polizeibehoerden auf, um mir ein neues Visum ausstellen zu lassen. Zu dumm. Der fette Officer (alle chinesischen Bonzen sind fett und fahren dicke Toyota!-Landcruiser, man kennt es ja noch...). Er verlangte sofort die Reisepaesse. Schnauzte uns an. Was wir hier wohl machen. "This Town is closed". Wo wir wohl hinwollten? Der ganze Osten ist closed. Und ueberhaupt. Ab zurueck nach Lhasa. Dann gab er mir noch sein Handy und ein perfect englisch sprechender Chinamann aus der naechsten Provinzhauptstadt Bayi meldete sich. Er erklaerte mir das auch Bayi und alles was kommt strengstens fuer Touris gesperrt ist. Mitlerweile hatten wir es wohl geschafft so richtig schoen die Aufmerksamkeit der Behoerden auf uns zu ziehen. Ich war stinksauer ueber meine Gutglaeubigkeit und so verkrochen wir uns fuer die Nacht in einem Billighotel, was sich zu allem Uebel auch noch als prima Puff herausstellte. Nachdem wir uns bei ein paar Bier beruhigt hatten, beschlossen wir, uns um 4 Uhr Nachts aus dem Staub zu machen. So war es wohl gut, das wir vor lauter Laerm kein Auge zu machten.

Es ist Nacht Seniorita (Bayi)
Gegen 4.30 schlichen wir aus dem Hotel und fuhren langsam und mit riesen Herzklopfen an der beleuchteten Polizeistation vorbei. Das es hundskalt war merkten wir erst viel spaeter. Jetzt war unser Puls auf 280. Noch unter einer Schranke durch und dann - gib ihm Saures. Wir sprachen erst 10 km spaeter wieder miteinander. So hatte uns das Ganze mitgenommen. Wir fuhren in voelliger Dunkelheit (Matthias konnte seine Lampe bei Nachtfahrten schliesslich nicht anmachen :)) noch bis ueber die Provinzgrenze. Dann gabs Fruehstuecksnudeln und wir konnten das erste mal ueber eine genommene Stadt lachen. Auf der Strasse hatten wir allerdings bei jedem vorbeifahrendem Polizei-Landcruiser einen kleinen Herzinfarkt. Doch hundert Kilometer weiter wartete schon die naechste knifflige Situation. Bay war absolut closed. Dort gab es einen grossen Checkpoint und auch in Nyingtri , 25km spaeter, hatte man ein paar Schranken ueber die Starsse gebaut. Wir beschlossen 10km vor Bayi zu naechtigen und um 2 Uhr aufs Rad zu steigen. So koennten wir beide Staedte mit einem Mal ueberwinden.
Punkt zwei piepste der Wecker. Es gab einen tiefgekuehlten Apfel und ein paar Kekse. Geschlafen hatten wir in voller Montur, damit es des Nachts schneller geht. Kein Licht! Absolute Stille. Zelt zusammen packen. Aufs Rad, und los. Bayi war riesig. Eine reine Militaerstadt. Die erste Schranke gabs am Ortseingang. 5km spaeter am Ortsausgang noch eine. OK. Bayi war unser. Doch dann kamen quaelende 25 km. Die Kaelte kroch so langsam aber sicher unter die Klamotten. Bei jedem entgegenkommenden Fahrzeug wurden wir fast in den Strassengraben gedraengt. Abblenddlicht gibt es hier nicht. Gluecklich der, der ueberhaupt Licht am Auto hat. Dazu kamen unzaehlige Tiere, die sich nachts mitten auf der Strasse genauso wie wir ueber die aus der Dunkelheit auftauchenden Gestalten erschraken. Aber in Nyingtri war alles schoen ruhig. Und so rollten wir schon etwas entspannter ueber die spaerlich beleuchteten Strassen, unter zwei Schranken durch und wieder ab in die Dunkelheit.

Ni Hao: Hunderte Bauameisen rauben einem den letzten Nerv
BAU AUF, BAU AUF, BAU AUF - Chinese Road Construction
oder
Von China lernen heisst siegen lernen

Wenige Kilometer spaeter war dann allerdings Schluss mit Asphalt und so warteten wir die Morgendaemmerung bei einem kleinen, waermenden Feuer ab. An Weiterfahren in Dunkelheit auf Schotter und Sand war nicht mehr zu denken. Nach einem lecker Nudelsnack gings auf die Raeder - von jetzt an gings bergauf, fuer den Rest des Tages. Von 2800m rauf auf den Serkhym La mit 4500m. Das war genau das, was wir nach einer anstrengenden Nacht gebraucht hatten. Und zu aller Freude machten wir nun auch endlich einmal Bekanntschaft mit dem Strassenbausystem einer echten Moechtegern-Weltmacht. Unzahelige Menschen standen entweder rum oder hockten am Strassenrand wie die Huehner. Sie gackerten, kackten oder guckten nudelschluerfend den anderen dabei zu. Zugegeben, ein paar wenige spielten mit Mauermatsch und wieder andere hatten sogar echte Mischmaschinen. Angetrieben von den sonst auf zwei Raedern fahrenden, staendig siffenden, qualmenden Urzeittraktormotoerchen, erfreute uns ihr sonores Droehnen den ganzen Tag. Dabei lief mehr Diesel und Oel in den Waldboden, als in den Motor. Wofuer brauchts Umweltschutz, von Umwelt gibts ja genug.
Und fuers Auge weht schliesslich auf jedem Mischer eine schicke rote Fahne, an denen ebenfalls kein Mangel in China herscht. Das lenkt den Blick ein wenig ab und bringt Farbe ins Spiel. Bis auf wenige Maschinen, war das Meiste jedoch Handarbeit. Technik geht einfach zu schnell kaputt. Und wofuer brauchts Maschinen, Menschen gibts ja auch jede Menge. Es macht hier anscheinend keinen Sinn einen defekten Bagger zu reparieren, wenn hundert Chinesen die gleiche Arbeit verrichten koennen. Die brauchen keinen Sprit, ernaehren sich ganz alleine von so allerhand komischen Sachen und sind sogar so genuegsam, dass sie gleich neben ihrem Schippchen in urig, gemuetlichen Bretterbauten, bespannt mit toll moderner Plastikplane hausen. Die Bagger, Raupen und Radlader stehen triefend daneben. Weiter scheint ein durchgehendes Strassenbaukonzept foellig zu fehlen, denn der Strassenbelag wechselte alle 200m. Dies war anscheinend davon abhaengig, wie weit das Kollektiv des jeweiligen Abschnitts im Plan fortgeschritten war. Die einen hatten diesen bereits uebererfuellt und begannen schon mit der Asphaltdecke zu experimentieren. Der ueberwiegende Teil jedoch, verbrachte die Zeit damit, sich ab und an zwischen Fruestuecks- und Mittagsnudeln riesige Gesteinsbrocken zu suchen und sie an Ort und Stelle zu den, fuer den Strassenbau doch so wichtigen, Schotterstueckchen zu zerklopfen. Das bedeutete fuer uns, dass wir um Mensch und Material jedesmal herumbalancieren mussten. Hatten Sie es bereits soweit geschafft, Sand mit der Harke ueber dem Schotter zu verteilen, versanken die Raeder im lockeren Untergrund - auch nicht viel besser. Nur dort, wo die letzte fahrende Walze Chinas einen einigermassen festen Boden fuer uns zurechtestampft hatte, ging es dann ertraeglich gut voran.
Doch selbst hier schafften es die Kollegen, unsere Nerven mit ihrem dumpfen NI HAO, NI HAO zu strapazieren. War ja vielleciht nett gemeint, aber man sagt hier nicht Guten Tag oder Hallo. Nein. Man schreit es. Und ich kann mir nach wie vor nicht helfen. Die Unfreundlichkeit der Chinesen faengt beim NI HAO an. Muss man sich so anblaecken, wenn man sich sieht? Um wieviel freundlicher kommt doch da ein laechelndes TASHI DELE der Tibeter, ein breit gezogenes NAMASTEE der Nepalesen oder ganz toll: das mehr gesungene SO BA DI der Laoten oder Thais daher. Eine Feststellung, die im Uebrigen nicht nur ich gemacht habe... Bei den ersten hundert Mann haben wir noch zurueck gebruellt, da mag es noch witzig und ertraeglich gewesen sein. Aber spaetestens ab Nr. 101, begannen unsere Ohren zu bluten. Und so waren wir heilfroh, als wir gegen 17 Uhr die Passhoehe erreichten. Hier rauschte nur der Wind durch die Gebetsfahnen, die auf jedem Pass zu Tausenden als kleines Dankeschoen fuer eine sichere Passueberquerung angebendelt werden. Wir haben es allerdings beim Steinchenauflegen belassen und ein "Om man padme hum" dazu ausgestossen. Wir machten das obligatorische Passfoto und genossen den fantastischen Blick auf den Namtsche Barwa, dessen 7756m hoher Gipfel sich gerade zwischen ein paar Woelkchen hindurch reckte und in der Abendsonne leuchtete. Dazu gab es wie immer auf einem Pass einen kraeftigen Schluck Raisschaaaps aus dem Flachmann, der sich sehr gut bewaehrt hat.
Dann versaute uns allerdings ein Polizei-Landcruiser die Romantik. Er fuhr nicht wie alle Anderen in hoher Geschwindigkeit (damit man nochmal so richtig den Staub rausschleudern kann) an uns vorbei, sondern stoppte direkt vor unseren Raedern. OK. Das wars jetzt - Schoss es uns natuerlich gleich durch den Kopf und der Atem stockte mal wieder fuer einen Moment. Das naechste mal sollte man fuer solche Momente ein paar Herztabletten einplanen. Der Obermacker stieg dann auch gleich aus - aber was war das jetzt? - er machte keine Anstalten sich mit uns zu beschaeftigen. Im Gegenteil: Er winkte uns freundlich zu und begann eine buddhistische Gebetsfahne an der Fahnenstange zu befaestigen. Dabei bemuehten sich die anderen, ihn in jeder erdenklichen Pose mit dem Fotoapperat fuer die Ewigkeit festzuhalten. Dann unterschrieben sie noch Allesamt auf den Faehnnchen, pissten kollektiv auf einen Steinhaufen, hockten sich ins Auto und verschwanden. Nicht jedoch, ohne uns vorher noch einmal nett zugewunken zu haben. WOW. Unglaublich! Irgendwie verstanden wir die Jungs immer weniger.

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